Newsletter-Serie zu unserer Leitlinienarbeit
Liebe Kolleg*innen,
heute beginnen wir eine kleine Newsletter-Serie mit Informationen über unsere Leitlinien-Beteiligung.
Engagierte DÄVT-Mitglieder vertreten die DÄVT in verschiedenen Leitlinien-Gremien, die zumeist von der AWMF (Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.) koordiniert werden. Die DÄVT ist Mitglied in diesem Dachverband von fast 200 Fachgesellschaften; Prof. T. Messer, Pfaffenhofen vertritt in der AWMF die DÄVT seit vielen Jahren als unser Delegierter und Leitlinien-Beauftragter. Seine Stellvertreter sind Dr. T. Wiehn und Prof. Meisenzahl. Alle drei sind im erweiterten Vorstand aktiv mitarbeitend!
Die unsagbar aufwändige ehrenamtliche Tätigkeit der LL-Mandatsträger findet zumeist - bis zur Konsentierung durch unseren Vorstand - unaufgeregt im Hintergrund statt und wird dementsprechend viel zu spät und viel zu wenig gewürdigt. Gleichermaßen sind die Ergebnisse für unseren ärztlichen Alltag unverzichtbar. Anlass genug, die LL-Vertreter und ihre LL-Arbeit allen DÄVT-Mitgliedern vorzustellen. Die Mandatsträger selbst berichten in diesem Newsletter-Format über die wichtigsten Informationen und Ergebnisse ihrer letzten konzertierten LL.
Wir starten heute mit dem Bericht von unserem Mitglied Herrn Dr. med. Werner Ettmeier aus München, Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Sozialmedizin, der die DÄVT in der Kommission der oben genannten Leitlinie vertreten hat. Herr Dr. Ettmeier verfügt seit 28 Jahren über Erfahrungen in der Behandlung von Personen mit Geschlechtsdysphorie und in der Begutachtung nach dem Transsexuellengesetz. Er hat eine sexualmedizinische Weiterbildung absolviert und ist seit 20 Jahren als ärztlicher Verhaltenstherapeut in eigener Praxis niedergelassen. Vor 14 Jahren gründete er den interdisziplinären Qualitätszirkel Transsexualität München mit mittlerweile über 40 Mitgliedern (www.qz-ts-muc.de). Er ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualmedizin (DGfS), Mitarbeiter im DGPPN-Referat "Sexuelle Orientierungen und Identitäten" und Dozent an der CIP-Akademie München für den Bereich Geschlechtsdysphorie.
Hier zitieren wir seinen Bericht:
„Die medizinische Versorgung von Personen, die sich nicht mit ihrem körperlichen Geschlecht identifizieren können, wurde bis vor kurzem maßgeblich von nicht mehr zeitgemäßen Behandlungsstandards aus dem Jahr 1997 bestimmt. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung (DGfS) wurde unter Mitwirkung der DÄVT ab 2011 die von zahlreichen medizinischen und psychotherapeutischen Fachgesellschaften getragene AWMF-S3-Behandlungsleitlinie "Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung, Behandlung“ erarbeitet und 2018 veröffentlicht.
Die Leitlinie basiert auf dem diagnostischen Konzept der Geschlechtsdysphorie des DSM 5. Sie hat einen psychosozialen Schwerpunkt und verfolgt das Ziel, individuelle Lösungen zu ermöglichen und den Betroffenen die notwendigen psychotherapeutischen sowie medizinischen Maßnahmen bedarfsgerecht zukommen zu lassen. Auch Personen, die sich nicht den Geschlechtskategorien „männlich“ oder „weiblich“ zugehörig fühlen („non-binäre Geschlechtsidentität“), sollte der Zugang zu körperverändernden Behandlungsmaßnahmen ermöglicht werden. Die Psychotherapie sollte nicht mehr primär dem Ziel einer Dokumentation der Alltagserfahrungen dienen. Ihre Rolle wird im Rahmen eines multidisziplinären Behandlungsansatzes entsprechend den Bedürfnissen der Betroffenen definiert.
Die AWMF-Behandlungsleitlinie führte zu einer Überarbeitung der MDS-Begutachtungsanleitung „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus“, die am 13.11.2020 vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen in Kraft gesetzt wurde und seither die Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Behandlungen bei gesetzlich Versicherten regelt.
Auch wenn es hierdurch zu Verbesserungen in der Versorgung von Menschen mit Geschlechtsdysphorie kam, so wurden einige wesentliche Aspekte der AWMF-Behandlungsleitlinie in der neuen MDS-Begutachtungsanleitung nicht übernommen. Die Leitlinienkommission hat hierzu eine kritische Stellungnahme verfasst, die auch von der DÄVT konsentiert wurde.
In einer Erwiderung wurden vom MDS manche Aussagen relativiert. Aus sozialrechtlichen Gründen hält der MDS vorerst jedoch weiterhin an der ICD-10 fest. Die Kritik, dass Jugendliche und Personen mit non-binärer Geschlechtsidentität in der MDS-Begutachtungsanleitung ausgenommen wurden, sowie die zeitlichen Mindestanforderungen ohne Prüfung der Notwendigkeit einer fachärztlich-psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Behandlung im Einzelfall ist aus der Sicht der Leitlinienkommission weiterhin berechtigt.“
Die DÄVT dankt Herrn Ettmeier sehr für seine engagierte LL-Arbeit und heute besonders für seine Ausführungen über die wirklich sehr komplexe Leitlinie!
Wir wünschen ihm weiterhin viel Erfolg und Spaß in der Sache!
Im Namen des gesamten Vorstands grüßt Sie herzlich
Dr. med. Beate Deckert
Präsidentin