Die Geschichte der DÄVT
Historischer Zeitstrahl der Deutschen Ärztlichen Gesellschaft für Verhaltenstherapie

Gründung

Die Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie – DÄVT - wurde am 5. Februar 1993 in Mannheim gegründet und ist seit dem 26. 11. 1993 im Vereinsregister beim Amtsgericht Hannover eingetragen. Gründungs- und Vorstandsmitglieder des Vereins waren:

  • Prof. Dr. Rolf Meermann, Bad Pyrmont (Präsident)
  • Dr. Norbert Mark, Bad Dürkheim (Vizepräsident)
  • Dr. Klaus Stutte, Quakenbrück (Vizepräsident)

Der Sitz des Vereins ist bis heute Bad Pyrmont, wo anfangs in der dortigen Psychosomatischen Fachklinik auch die erste Geschäftsstelle war. Die Gesellschaft sollte die Verhaltenstherapie als Therapieverfahren für Ärzte einführen und legitimieren, mit dem Ziel, ein akzeptierter Ansprechpartner bei Landesärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen, anderen psychotherapeutischen Fachgesellschaften und dem Bundesministerium für Gesundheit zu werden.

Ehren- und Gründungspräsident Prof. R. Meermann und Ehrenpräsident Prof. S. Sulz

Präsidenten:
Prof. G. Wiedemann, Dr. R. Knickenberg, Dr. C. Ehrig, Dr. B. Deckert

Vorgeschichte

Viele Jahre vor Gründung der DÄVT hatte sich eine Arbeitsgemeinschaft für ärztliche Verhaltenstherapie AÄVT gebildet, die bis 1978 zurückdatiert. Später trafen sich in Hannover ärztliche Verhaltenstherapeuten am Rande eines DKPM - Kongresses (Dt. Kollegium für Psychosomatische Medizin) und gründeten den Fachverband Klinische Verhaltenstherapie FKV in Bad Dürkheim 1981, bei dem sich führende ärztliche Repräsentanten der Verhaltenstherapie in Deutschland für eine Kooperation mit Diplompsychologen aussprachen.
Angestrebt war die Anerkennung der Verhaltenstherapie als kassenabrechnungsfähiges ambulantes Psychotherapieverfahren. Im weiteren Verlauf ging es um die Entwicklung verhaltenstherapeutischer Weiterbildungsinhalte zur Erlangung der ärztlichen Zusatzbezeichnung Psychotherapie und später um Verbesserungen der psychotherapeutischen Weiterbildungscurricula, die dann zu den neuen Facharztbezeichnungen führten, die auf dem Fachverband Klinische Verhaltenstherapie zum Verhandlungspartner und Vertreter der verhaltenstherapeutisch tätigen Ärzte gegenüber den maßgeblichen Gremien wie Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen.

1991 wurde die Deutsche Akademie für Verhaltenstherapie DAVT gegründet. Sie war ein wissenschaftlich und universitär orientierter Fachverband von Ärzten und Psychologen mit dem Präsidenten Prof. Manfred Fichter

Zu den Vorstandsmitgliedern zählten Prof. Gerhard Buchkremer, Prof. Eibe Rey, Dr. Dr. Serge Sulz, Prof. Dieter Vaitl, Prof. Dirk Zimmer.

Durch die schnell wachsende Mitgliederzahl waren mit DAVT und FKV zwei gleichwertige Verhaltenstherapie-Verbände entstanden.
1992 kam es zur Fusion mit dem Fachverband für Klinische Verhaltenstherapie FKV, dessen Vorstand zu diesem Zeitpunkt waren: Prof. Dr. Michael Linden, Peter Korsarz, Dr. Peter Altherr, Dr. Norbert Mark, Dr. Detlef Kommer, Stephan Hoyndorf.

Es entstand der Deutsche Fachverband für Verhaltenstherapie DVT. Vorstand dieses neuen Vereins wurde: Prof. Michael Linden, Prof. Dirk Zimmer, Prof. Manfred Fichter, Stephan Hoyndorf.

Die Vereinigung verstand und versteht sich als Fachverband, der neben berufspolitischen Zielen vor allem inhaltliche Ziele verfolgt.
Ärztliche und psychologische Interessen gingen jedoch immer weiter auseinander. Im DVT kamen die Ärzte in die Minderheit und wurden zu wenig berücksichtig, so kam es 1993 zur Gründung der Deutschen Ärztlichen Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DÄVT).

Die ersten zehn Jahre: Etablierung

Der Gründungspräsident, Prof. Meermann , war seit 1987 Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Bad Pyrmont und seit 1993 apl. Professor für Psychiatrie in Hannover. Als Hochschullehrer und Klinikdirektor verfügte er über ein weitreichendes kollegiales Netz von  verhaltenstherapeutischen Forschern und Praktikern, die bereit waren mit Ihrer Expertise die Ziele der DÄVT zu unterstützen.

Dem Gründungs-Präsidenten der DÄVT, Prof. Meermann, gelang es rasch, ein enges Netz von Mitstreitern im universitären und wissenschaftlichen Bereich zu knüpfen, obwohl es erhebliche Vorbehalte gegen die Etablierung der neuen Methode bei anderen Psychotherapieverbänden und Psychotherapeuten gab. Verhaltenstherapie wurde häufig als eines Trainingsverfahren eingeschätzt, das bestimmte unerwünschte Verhaltensweisen beseitigen sollte.

Es galt die Verhaltenstherapie als wirksames, effektives, wissenschaftlich begründbares und umfassendes Therapieverfahren im ambulanten und stationären Bereich zu etablieren. Weiter sollte eine zusätzliche evaluierte Behandlungsmethode neben den bereits bestehenden ärztlichen Therapieverfahren (tiefenpsychologisch fundiert, analytisch) sich einer Marginalisierung der ärztlichen Psychotherapie entgegen stellen bei zunehmender Ausweitung psychologischer Psychotherapie. Es galt besonders Ärzteverbände, Kassenärztliche Vereinigungen, Krankenkassen und auch Ärzte zu überzeugen, dass Verhaltenstherapie äußerst wirksam bei vielen psychischen und psychosomatischen Erkrankungen einsetzbar ist und deshalb als Leistung in das Deutsche Gesundheitssystem zu integrieren ist.

Bereits 1994 etablierte der Bundesvorstand der DÄVT Landesbeauftragte der einzelnen Bundesländer sowie Fachbeauftragte für die neu geschaffenen Fachgebiete Psychiatrie/Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Zusatzbezeichnung Psychotherapie und Psychosomatische Grundversorgung.

Nach der Inkraftsetzung des Psychotherapeutengesetzes am 1. 1. 1999 versuchte er weiterhin der Marginalisierung der ärztlichen Psychotherapie entgegenzuwirken, nahm an Anhörungen im Gesundheitsausschuss teil sowie an parlamentarischen Beratungen und stellte Kontakt zum Medizinischen Dienst der Krankenkassen her. Gleichzeitig sorgte er dafür, dass die Verhaltenstherapie als relativ neues Verfahren neben anderen bereits bestehenden Psychotherapieverfahren (Psychodynamisch) den ihr zustehenden Raum einnehmen konnte. Unter seiner Präsidentschaft gelang es Vertreter der ärztlichen Verhaltenstherapie in den Fachgremien der Bundes-KV und der Landes-KVen zu etablieren.

In der Zeit von 1995 – 1999 fanden jährlich die „Herbsttagungen“ in der Psychosomatischen Klinik Bad Pyrmont statt, die auch der Außendarstellung der DÄVT dienten. In den nachfolgenden Jahren organisierte die DÄVT Kongresse mit psychiatrisch-psychotherapeutischer und psychosomatischer Ausrichtung in München, Freiburg und Bad Pyrmont.

Während seiner langjährigen Präsidentschaft (1993-1999) bemühte sich Prof. Meermann um eine Zusammenarbeit aller ärztlichen psychotherapeutischen Gesellschaften aller Methoden.

Es kam zur Gründung der Ständigen Ärztlichen Konferenz – „StäKo“ - in Heidelberg, wo erstmals Vertreter aller ärztlichen psychotherapeutischen Schulen zusammenkamen. Aufgabe dieser Gesellschaft war es, allgemeine ärztliche Curricula für die unterschiedlichen Therapiemethoden sowie die Notwendigkeit stationärer ärztlicher und ambulanter Versorgungsmethoden in das medizinische Versorgungssystem zu implementieren.

In der Gründungsphase der StäKo zeigten sich ähnliche Phänomene wie bei der Gründung der DÄVT. Gespräche mit Vertretern schon etablierter Therapiemethoden gestalteten sich bezüglich Weiterbildungsinhalten und Umsetzung im ambulanten und stationären Bereich als schwierig. Vertreter der etablierten Methoden befürchteten wohl, Terrain aufgeben zu müssen zugunsten der neu etablierten Methode Verhaltenstherapie. Dieser Konflikt führte zum Rückzug von Prof. Meermann.

Die zweiten 10 Jahre: Konsolidierung

1999 trat Prof. Serge Sulz die Nachfolge von Prof. Meermann als Präsident der DÄVT an und blieb es bis 2009 Er ist heute wie Prof Meermann Ehrenpräsident der DÄVT. In den Vorstand gewählt wurde auch neu Prof. Michael Stark, Hamburg, und Dr. Tobias Wiehn, Grebenhain, als Vizepräsidenten. 2004 löste Prof. Georg Wiedemann, damals Tübingen und später Fulda, Prof. Stark als Vizepräsident ab und dem  ausscheidenden Dr. med. Tobias Wiehn folgte 2007 Dr. med. Beate Deckert, damals Münster, als Vizepräsidentin und erste Frau in den Vorstand.

Prof. Sulz ist sowohl Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie als auch Diplom Psychologe. Weiter ist er sowohl ausgebildeter Psychoanalytiker als auch Verhaltenstherapeut. Was Prof. Meermann schon begonnen hatte konnte Prof. Sulz sehr erfolgreich weiterführen, insbesondere was die verhaltenstherapeutische Qualifikation von Ärzten betraf. Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) wurden Kriterien der DÄVT zur Anerkennung von Supervisoren erarbeitet und veröffentlicht. Weiter beteiligte sich die DÄVT an der Ausarbeitung von Psychotherapeutischen Therapieleitlinien. Dr. Cunz war befasst mit Essstörungen, Dr. Langs mit Angststörungen und Dr. Ohlsen mit Zwangsstörungen.

An der Durchführung des Kongresses der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft (AÄGP) beteiligte sich die DÄVT mit zahlreichen verhaltenstherapeutischen Workshops und Symposien. Weitere Kongresse folgten, sowohl in Zusammenarbeit mit anderen therapeutischen Gesellschaften als auch mit selbst durchgeführten Kongressen: So fand 2001 ein gemeinsamer Kongress mit der DGVM (Deutsche Gesellschaft für Verhaltensmedizin) statt unter dem Thema „Bedeutung der Hirnforschung für die Psychotherapie“. Im Oktober 2003 veranstaltete die DÄVT einen Kongress in Bad Pyrmont mit dem Thema „Dissoziative Störungen und neue Medien“. 2004 ein DÄVT – Kongress in der Klinik Roseneck in Prien mit dem Thema „Neurobiologie und Körper“, 2005 ein DÄVT – Kongress in Frankfurt mit den Themenbereichen „Persönlichkeitsstörung und Ethik“.

Ab 2002 leistete die DÄVT Unterstützung beim Aufbau ärztlicher Weiterbildungsinstitute für Verhaltenstherapie. Erstmals beteiligte sich die DÄVT an der Würzburger Balint-Tagung im November 2002 und bot dort eine IFA-Gruppe an - Interaktionsbezogene Fall-Arbeit oder Verhaltenstherapeutische Balintgruppe genannt. Ziel der Zusammenarbeit mit der Deutschen Balintgesellschaft war es, ein vergleichbares Modell über die Inhalte und Zielsetzungen der Balintarbeit mit verhaltenstherapeutischen Mitteln zu schaffen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entwickelten beide Gesellschaften Ausbildungsmodelle für tiefenpsychologische und verhaltenstherapeutische Methoden. Zwischenzeitlich wird die Ausbildung der verhaltenstherapeutischen IFA-Gruppe als gleichrangig den klassischen Balint-Ausbildungen anerkannt - auch von allen Ärztekammern in Deutschland.

Ab 2009 bot die DÄVT erstmals eine IFA-Gruppenleiterausbildung an. Viele Jahre beteiligt sich die DÄVT bis heute mit Workshops und Symposien (erstmalig 2005) an dem jährlich stattfindenden großen DGPPN-Kongress (Dt. Ges. Für Psychatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde) in Berlin.

Ebenfalls 2009 gründeten Prof. Serge Sulz und Dr. Beate Deckert (damaliger Präsident und Vizepräsidentin) die DÄVT-Arbeitsgruppe PKP: Psychiatrische Kurz-Psychotherapie, mit dem Störungsbild Depression und stellten sie im Psychotherapie-Referate Symposium der DGPPN in Berlin vor. Ihre Initiative entstand aus vielen Gedanken, wie die Vielfalt bekannter verhaltenstherapeutischer Maßnahmen konkreter im Routine-Alltag psychiatrischer Versorgungssysteme nutzbar gemacht werden kann, da kaum strukturierte psychotherapeutische Interventionen außerhalb der Richtlinien-PT stattfinden. PKP beinhaltet kurze psychiatrische und psychotherapeutische Strategien, geeignet für Praxis und Klinik, auf Sprechstundenkarten, die in 10-20 Minuten entsprechend den zeitlichen Abrechnungstaktungen (EBM, GOÄ, OPS) durchgeführt werden können. Seither wird regelmäßig am DGPPN-Kongress ein Workshop zu PKP-Depression angeboten. Die PKP - Störungsbilder wurden in den Folgejahren erweitert mit den Störungsbildern Alkoholabhängigkeit und Angst/Zwang.

Im Jahr 2011 startete Prof. Sulz seine Initiative “ein guter Psychiater ist ein guter Psychotherapeut“: Um die psychotherapeutische Kompetenz des Psychiaters kontinuierlich zu bewahren und zu steigern, kann vor allem im ersten Jahr der Weiterbildung eine intensive Schulung in psychotherapeutischen Grundkompetenzen (incl. Psychoedukation) erfolgen - mit einer engen Verzahnung von Theorie - methodische Schulung - Fallarbeit und Supervision

Unter der 10jährigen Präsidentschaft von Prof. Sulz gelang es der DÄVT zunehmend in den meisten gesundheitspolitischen Gremien und Institutionen Gehör zu finden und mitzuwirken. Obwohl die Gesellschaft mit damals ca. 270 Mitgliedern eher zu den kleinen Gesellschaften im Psychiatrisch-Psychotherapeutischen Bereich zählte, ist es ihr durch das Engagement und die Qualifikation ihrer Mitglieder gelungen, maßgeblich die Verhaltenstherapie in die stationäre und ambulante medizinisch-therapeutische Versorgung einzubinden auch gegen große Widerstände anderer im psychotherapeutischen Bereich tätiger Gruppen. Dies führte dazu, dass die Verhaltenstherapie seit mehr als 20 Jahren eine volle Leistung der gesetzlichen Krankenkassen und der meisten privaten Krankenkassen darstellt und somit die Kostenübernahme für die Patienten gesichert ist. Die DÄVT hat weiter wesentlichen Anteil an den psychotherapeutischen Inhalten der Fort- und Weiterbildung für Fachärzte und Ärzte mit Zusatzbezeichnung. Im Bundesausschuss ist sie als Mitglied der verhaltenstherapeutischen Methode Ansprechpartner des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zusammen mit den Vertretern anderer psychotherapeutisch- ärztlicher Methoden und den  Psychologischen Psychotherapeuten.

Das dritte Jahrzehnt: Weiterentwicklung und Präsenz

2009 übernahm Prof. Georg Wiedemann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Fulda, die Leitung der DÄVT. Als Vizepräsidenten unterstützten ihn Dr. med. Rudolf Knickenberg aus Bad Neustadt-Saale und Dr. med. Stefanie Backmund-
Abedinpour aus München.

Prof. Wiedemann und weitere Direktoren von Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie wie Prof. Berger (Freiburg) und Prof. Buchkrämer (Tübingen) stützten die Grundanliegen der DÄVT und förderten einerseits die Einbeziehung verhaltenstherapeutischer Methoden in der Behandlung psychiatrisch und psychosomatisch erkrankter Patienten - gleichzeitig unterstützten sie die ärztliche Weiterbildung zur Zusatzbezeichnung Psychotherapie und zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie im universitären, stationären und ambulanten Bereich. Prof. Wiedemann intensivierte den Kontakt zur DGPPN und ermöglichte der DÄVT und ihren Mitgliedern regelmäßig verhaltenstherapeutische Inhalte in Symposien und Vorträgen im Rahmen der großen DGPPN-Kongresse zu präsentieren.

Referenten waren neben Prof. Wiedemann die DÄVT-Mitglieder Dr. Ehrig, Prof. Sulz und Frau Dr. Deckert und Dr. Knickenberg.

Seit dieser Zeit sind regelmäßig bei den großen DGPPN-Kongressen in Berlin Ärzte der DÄVT beteiligt - neben den Weiterbildungsangeboten und Forschungsergebnissen der psychologischen Psychotherapeuten. Im Rahmen dieser Kongresse bieten sich weiter Gelegenheiten zu Gesprächen und Kontakten zwischen den einzelnen ärztlichen Verbänden anderer Therapiemethoden und den psychologisch psychotherapeutischen Institutionen.

Prof. Wiedemann gelang es, die DÄVT insbesondere unter den Psychiatern und Psychosomatikern bekannt zu machen, um die verhaltenstherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten im ambulanten und im stationären Bereich weiter zu etablieren.

Die nachfolgenden Präsidenten haben zunehmend die Konsolidierung vorangetrieben:

Nach Prof. Wiedemann war im Zeitraum von 2011 bis 2013 Dr. med. Rudolf Knickenberg, der schon unter der Präsidentschaft von Prof. Wiedemann Vizepräsident gewesen war, Präsident der Gesellschaft. Dr. Knickenberg war Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Neustadt/Saale und langjähriges Mitglied der DÄVT. Zusammen mit Dr. Christian Ehrig intensivierte er die Kontakte zur Deutschen Balintgesellschaft mit der Zielsetzung, dass ein dem tiefenpsychologisch orientierten Balint-Ansatz vergleichbares verhaltenstherapeutisches Konzept entwickelt wurde, das später als Weiterbildungsbaustein für die ärztlich-psychotherapeutische Weiterbildung anerkannt wurde. Dr. Knickenberg engagierte sich als Präsident sehr und übergab aus persönlichen Gründen die Präsidentschaft im Jahr 2013 an Dr. med. Christian Ehrig.

In der langen Amtszeit bis 2019 von Dr. Ehrig als Präsident der DÄVT konnten wesentliche Änderungen und Neuerungen eingeführt werden. So konnte die ganze Administration der DÄVT 2013 nach Prien übertragen werden, zur Klinik in der Dr. Ehrig als Chefarzt für Psychosomatische Medizin tätig ist. Als Novum in der Geschichte der DÄVT erwies sich, dass erstmalig kein Psychiater die Leitung der Gesellschaft übernahm: Dr. Ehrig ist Internist und Facharzt für Psychosomatische Medizin. Dies eröffnete weitere Kontakte in die Behandlungsbereiche der Psychosomatischen Medizin bei anderen als psychiatrischen Grunderkrankungen. Die DÄVT vollzog damit die gleiche Ausweitung des Behandlungsspektrums psychischer Reaktionen und Erkrankungen wie die DGPPN. Er aktualisierte die Satzung der DÄVT, die dringend einer Überarbeitung bedurfte. Zusammen mit Dr. Tröstl ist er Mitglied der Ständigen Ärztlichen Konferenz (StäKo), in der alle ärztlichen Verbände und Gruppierungen, die mit psychisch Erkrankten arbeiten, vertreten sind. Die StäKo wurde mittlerweile beauftragt, Weiterbildungsinhalte für die Zusatzbezeichnung Psychotherapie im Auftrag der Bundesärztekammer auszuarbeiten.

Nach intensiven Gesprächen mit anderen ärztlichen Psychotherapieverbänden gelang es, Dr. Wolfgang Engelhardt in eines der wichtigsten Gremien der ärztlichen Selbstverwaltung, den Fachausschuss, zu delegieren. Der Fachausschuss für Psychotherapie wird gebildet von 6 Vertretern der „ärztlichen Bank“ und 6 Vertretern der „psychologischen Bank“; er hat beratende Funktion für den Vorstand der Bundesärztekammer und der Bundeskassenärztlichen Vereinigung. Alle entscheidenden Veränderungen im Psychotherapiebereich werden in diesem Gremium diskutiert und überprüft und die ärztliche Vorstandschaft entsprechend beraten. Die Beratung umfasst sowohl die Ausbildungsbereiche als auch den Versorgungsbereich in ambulanten Verfahren.

Zusammen mit Dr. Knickenberg festigte Dr. Ehrig die Kooperation zwischen der Deutschen Balintgesellschaft und der DÄVT. Die Deutsche Balintgesellschaft und die DÄVT stellten das Ergebnis dieser Kooperation auf Symposien der DGPPN-Kongresse 2017, 2018 und 2019 vor. Gemeinsame Kongresse fanden 2016 in Erfurt und 2018 in Prien am Chiemsee statt; der für Potsdam im Jahr 2020 avisierte Kongress musste leider Corona bedingt ausfallen.

Mit der Gleichstellung der IFA-Ausbildung mit der klassischen Balint-Ausbildung und deren Anerkennung gelang Dr. Ehrig ein entscheidender und richtungsweisender Schritt: unterschiedliche ärztliche Therapiemethoden (psychoanalytisch, tiefenpsychologisch und verhaltenstherapeutisch) zusammen zu führen, gemeinsame Aspekte der Methoden aufzuzeigen und in die zukünftige Ärzteausbildung zu implementieren. Im Rahmen der
durchgeführten Kongresse wurde dieser Schritt auch nach außen deutlich gemacht.

2019 erklärte sich Frau Dr. med. Beate Deckert bereit, zur Vorstandswahl anzutreten und wurde zur ersten weiblichen Präsidentin der DÄVT gewählt und in diesem Amt erstmals eine Vertretung der niedergelassenen Verhaltenstherapeuten. Dr. B. Deckert ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie (Tiefenpsychologie, Schwerpunkt Verhaltenstherapie) und Inhaberin einer Verhaltentherapeutischen-Lehrpraxis der Bayerischen Landesärztekammer (Verhaltentherapeutische Supervision, VT-Selbsterfahrung, VT-Theorie, IFA-Gruppe). Sie ist seit über 20 Jahren Mitglied der DÄVT und blieb seit ihrer Vize-Präsidentschaft 2007 im erweiterten Vorstand aktiv, insbesondere im PKP-Gremium. Sie initialisierte seit 2016 Übersetzungen von PKP-Depression in mehrere Fremdsprachen, um der zunehmenden sprachlichen Vielfalt bei Patienten und Therapeuten Unterstützung zu bieten. Seit einer Einladung zu einem Vortrag über PKP- Depression an einem Wissenschafts-Symposium in
Pécs besteht eine erste ausländische Kooperation der DÄVT mit der Universität Pécs, Ungarn, zur Förderung der in Ungarn nur spärlich angewandten Verhaltenstherapie. Seit 2020 läuft eine Studie zu PKP-Depression im Einsatz bei deutschen und ungarischen Hausärzten in Kooperation mit dem Institut für Allgemeinmedizin der Universität Würzburg.

Mit großem Elan begann sie nach der Wahl im November 2019 mit der Vorbereitung eines Kongresses mit dem Titel „30 Jahre DÄVT - Facetten ärztlicher Verhaltenstherapie“ für den 11. und 12. September 2021, der als Psychotherapie-Tag im Hörsaal der Universitätsklinik Würzburg stattfinden soll. Im Programm sind Symposien und Workshops zu den Themen Verhaltenstherapie in der Forschung, Verhaltenstherapie in Psychotherapie-Ausbildungsinstituten, Verhaltenstherapie in der ambulanten Versorgung sowie die Arbeit der DÄVT in Kooperation mit anderen Gesellschaften. Unter Vorbehalt der Corona-Pandemie ist aufgrund der sinkenden Inzidenzen und der zunehmenden Impfungen eine Präsenzveranstaltung geplant, die bei Bedarf in eine Hybrid-Veranstaltung adaptiert wird.

Die DÄVT hat sich rasch den Pandemie-bedingen Digitalisierungs-Vorzügen angepasst hat und hält inzwischen die monatlichen Vorstandssitzungen als Online-Sitzungen ab. Im November 2020 lud sie zur ersten digitalen Mitgliederversammlung der DÄVT ein, an der erfreulicherweise mehr Mitglieder teilnahmen als in früheren Präsenz-Veranstaltungen.

Dreißig Jahre DÄVT

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

Mit Einbezug des Vorläufers Deutsche Akademie für Verhaltenstherapie DAVT 1991 wird im Jahr 2021 die Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie 30 Jahre alt. Sie wurde gegründet, um in die Behandlung psychisch Erkrankter neben bereits bestehenden Methoden und der psychopharmakologischen Behandlung ein äußerst wirksames und hilfreiches Behandlungsinstrument einzuführen, das in den anglikanischen
Ländern (USA, England) seit langem Anwendung fand. Die Verhaltenstherapie erwies und erweist sich als wirksame Therapiemethode sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich. Bei der Behandlung vieler psychischer Erkrankungen ist ihre Evidenz belegt und fester Bestandteil der heutigen Behandlungsansätze.

Ärztliche Verhaltenstherapie berücksichtigt neben der psychotherapeutischen Methodik in besonderem Maße die biologischen und sozialen Zusammenhänge der Erkrankung und kann deshalb im besonderem Maße Therapie und therapeutische Interventionen ausrichten. Des Weiteren kann der ärztliche Therapeut, falls erforderlich, neben rein psychotherapeutischen Methoden eine psychopharmakologische Behandlung zusätzlich oder flankierend einsetzen, was bei einer Reihe psychischer Erkrankungen unabdingbar ist.

Bei anderen Erkrankungen kann im stationären oder ambulanten Bereich die Behandlungsdauer u.U. erheblich verkürzt werden. Die DÄVT ist vernetzt mit Verbänden anderer Therapieausrichtungen sowie mit den Verbänden nichtärztlicher psychotherapeutischer Angebote. Die Vernetzung mit diesen Gruppen ist unabdingbar, um die psychotherapeutische Versorgung der Patientinnen und Patienten in der Bundesrepublik weiter zu verbessern, eine Versorgung, die im Bezug auf Angebot und Kostenstruktur einmalig in der Welt ist. Eine Weiterentwicklung des therapeutischen Berufs hat mit dem Beginn der sog. „Direktausbildung“, einem eigenständigen universitären Studiengang, bereits begonnen. Ob dieser Ausbildungsweg das hohe Niveau der derzeitigen Versorgungspraxis aufrechterhalten kann - sowohl inhaltlich als formal - muss abgewartet werden - einige Skepsis erscheint angezeigt.

Die DÄVT wird sich Neuentwicklungen nicht verschließen und ist bereit, falls notwendig und erwünscht Hilfestellung zu leisten und Entwicklungen mitzutragen.

Autor: Dr. med. Helmut Tröstl (Gründungsmitglied)

30 Jahre DÄVT

Facetten ärztlicher Verhaltenstherapie
6. Würzburger Psychotherapietag

Der 6. Würzburger Psychotherapietag fand 2021 in Kooperation mit der DÄVT (Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie) vom 11. und 12. September 2021 statt.

Die DÄVT feierte ihr 30jähriges Bestehen mit namhaften Referent*innen, die die vielseitigen Facetten ärztlicher Verhaltenstherapie aufzeigen.

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