Newsletter: 4. 10. 2021

Liebe Mitglieder, lesen Sie im folgenden einen zusammenfassenden Bericht über unseren sehr erfolgreich abgelaufenen Festkongress: 30 Jahre DÄVT-Facetten ärztlicher Verhaltenstherapie. Ich danke allen, die in Präsenz oder per Zoom teilgenommen haben! Wir haben ihn zur Veröffentlichung in unserem Mitteilungsblatt, der Zeitschrift „Verhaltenstherapie“ eingereicht. Erscheinungsdatum ist aber erst im Dezember 2021, sodass sie ihn heute schon lesen können.                    

Corona-Pandemie und traumatisierende Ereignisse wie u. a. der Amoklauf in Würzburg mit ihren negativen Auswirkungen auf unsere Psychische Gesundheit verdeutlichen und erhöhen den Bedarf an Psychotherapie in unserer Gesellschaft.

Die Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie (DÄVT) stellt sich seit 30 Jahren dieser Herausforderung durch Ausbildung von Psychotherapeuten und Definition von Therapiestandards durch Mitwirkung bei der Erstellung nationaler Leitlinien.                                                                       

Am 11. und 12. September 2021 veranstaltete sie in Würzburg in Verbindung mit dem 6. Würzburger Psychotherapietag anlässlich ihres 30jähriges Bestehens einen Wissenschaftlichen Kongress unter dem Titel: „30 Jahre DÄVT-Facetten ärztlicher Verhaltenstherapie“.

An einem intensiven Wochenende wurden die Facetten der Verhaltenstherapie in ihrer Vielfalt lebendig und anschaulich vorgestellt: 15 Referent:innen gaben den knapp 100 Teilnehmer:innen einen Überblick über unterschiedliche Aspekte der Verhaltenstherapie und in 6 Workshops wurde eine Vertiefung einzelner Themen angeboten. Es war die erste Präsenzveranstaltung im Hörsaal des Würzburger Zentrums für psychische Gesundheit mit zusätzlicher Möglichkeit der Teilnahme per Video seit Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2020.

Der Präsident der Würzburger Universität Prof. Paul Pauli, selbst verhaltentherapeutischer Psychotherapeut, betonte in seinem Grußwort die gesellschaftliche Bedeutung der Psychotherapie und insbesondere der Verhaltenstherapie und ihre lange Tradition am Würzburger Zentrum für Psychische Gesundheit: Diese war bereits 1987 von Prof. Armin Schmidtke, ebenfalls Psychologischer Verhaltenstherapeut,  durch den Aufbau einer eigenen Verhaltenstherapiestation von nationalem Modellcharakter mit Unterstützung namhafter Verhaltenstherapeuten wie Kanfer und Linehan etabliert worden. Erste Stationsärztin dieser Station war Dr. med. Beate Deckert, die aktuelle Präsidentin der DÄVT.

Namhafte Referent:innen, darunter mehrere Lehrstuhlinhaber:innen mit herausragender Expertise, bildeten in ihren Vorträgen die vielseitigen Facetten der Verhaltenstherapie eindrucksvoll ab: in Forschung, Lehre, Weiterbildung, in verschiedenen Settings (Praxis, Klinik, Tagesklinik)  und in verschiedenen klinischen Fachbereichen, wie Psychiatrie der Erwachsenen, der Kinder- und Jugendlichen, in Psychosomatik, Psychologie und fachgebundener Psychotherapie, wie z. B. in der Allgemeinmedizin. Vorsitzende der mit der DÄVT kooperierenden Gesellschaften vermittelten zusätzlich fach- und berufspolitische Einblicke in die verhaltentherapeutische Psychotherapie. Die Symposiums-Vorsitzenden, ehemalige Vorstandsmitglieder der DÄVT, vertraten flankierend alle einzelnen Epochen der 30jährigen Geschichte der Gesellschaft.

Es wurde deutlich, dass psychotherapeutische und darunter vor allem verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze einen zentralen Stellenwert für das gesamte Spektrum psychischer Erkrankungen besitzen und fester Bestandteil der Versorgung sowohl im ambulanten als auch stationärem Setting sind. Die Mischung aus Forschung, Lehre und Praxis der Veranstaltung trug wesentlich zu ihrem Erfolg bei.

Die Verhaltenstherapie ist seit 1987 eine der heute vier Richtlinien-Psychotherapien in Deutschland, neben der Psychoanalyse, der Tiefenpsychologie und der seit 2019 zugelassenen Systemischen Therapie. Die Anfänge der Verhaltenstherapie reichen bis in die Antike zurück: Aristoteles war überzeugt vom beobachtbaren Verhalten als Quelle des Wissens, so dass man ihn als ersten Vertreter des Behaviorismus verstehen kann, aus dem sich nach vereinzelten früheren Ansätzen (z.B. 1770 Goethe mit der Selbst-Expositionstherapie seiner Höhenangst) im 20. Jahrhundert die klassische Verhaltenstherapie entwickelte. Für seinen Lehrer Platon war das nicht beobachtbare Denken wichtiger für die Erkenntnis. Er kann so als früher Vertreter des Kognitivismus verstanden werden, aus dem sich in letzten Jahrhundert die Rational-emotive Therapie entwickelte. Aus beiden Strömungen fusionierte die heute gebräuchliche Bezeichnung Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) bzw. im Angelsächsischen die CBT Cognitive Behavioural Therapy.

Die Geschichte der DÄVT beginnt 1978 als Arbeitsgemeinschaft für Ärztliche Verhaltenstherapie. Es entstand zunächst der Fachverband Klinische Verhaltenstherapie FKV mit dem Ziel die kassenärztliche Zulassung der VT zu bewirken, die 1987 dann auch als Richtlinien-Psychotherapie anerkannt wurde.  1991 folgte die Gründung der DAVT (Dt. Akademie für Verhaltenstherapie) als wissenschaftlicher und universitärer Verband von Ärzten und Psychologen. Im Vorstand schon damals der heutige Ehrenpräsident der DÄVT Prof. Serge Sulz aus München. Schon ein Jahr später fusionierten DAVT mit FKV zum Deutschen Fachverband Verhaltenstherapie DVT, der bis heute existiert. Im Zusammenhang mit dem neu entstandenen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie kam es kurz darauf zur Gründung der DÄVT, die seit 1993 als Deutsche Ärztliche Gesellschaft für Verhaltenstherapie im Vereinsregister eingetragen ist.

Die Veranstaltung war inhaltlich organisiert durch die Präsidentin der DÄVT Dr. med. Beate Deckert, Inhaberin einer verhaltenstherapeutischen Lehrpraxis in Würzburg, logistisch unterstützt von Prof. Dr. Jürgen Deckert, dem Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Universität Würzburg.  Als Veranstaltungsort wurde Würzburg aufgrund seiner eigenen langen Verhaltenstherapie-Geschichte gewählt: 1987 Eröffnung einer verhaltentherapeutischen Psychotherapiestation in der Erwachsenen-Psychiatrie der Universität Würzburg noch im Jahr der Etablierung der Verhaltenstherapie als Richtlinien-Psychotherapie.  Prof. Armin Schmidtke, Psychologischer Verhaltenstherapeut, leitete diese Psychotherapiestation und gewann den Verhaltenstherapie-Pionier Prof. Frederick Kanfer, Psychologe der University of Illinois, zum ersten externen verhaltentherapeutischen Supervisor der damaligen Stationsärzte, einschließlich der heutigen DÄVT-Präsidentin. Kanfer‘s Verhaltensgleichung, das SORCK-Schema, ist allen psychologischen und ärztlichen Verhaltenstherapeuten als Grundbaustein ihrer täglichen Arbeit bis heute präsent.

Im Einzelnen vertraten am Samstag folgende Referent:innen die Facetten der Ärztlichen Verhaltenstherapie:

Frau Prof. Katharina Domschke, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Freiburg, berichtete über neue Aspekte zur Verhaltenstherapie aus der Forschung, speziell über die „Rolle der Epigenetik“. Frau Prof. Sabine Herpertz, Direktorin der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Heidelberg und Referate -Leiterin Psychotherapie in der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Nervenheilkunde, referierte zur Verhaltenstherapie-Facette VT in der Klinik über „Frühe Traumata als Fokus der 3. Welle“ und deren Bedeutung in der Psychiatrie. Frau Prof. Martina de Zwaan, Direktorin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie aus Hannover, und Sprecherin des nationalen Psychotherapienetzwerkes von 2008-2016 vertrat die Facette „Verhaltenstherapie in der Psychosomatik“ mit Untersuchungen zur Frage „Wieviel VT braucht die Behandlung der Essstörungen?“.   

Im zweiten Veranstaltungsblock führte Frau Prof. Meisenzahl aus Düsseldorf, Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Landschaftsverbandes Rheinland und der Heinrich-Heine-Universität, in den wachsenden Beitrag der Digitalisierung in der verhaltentherapeutischen Weiterbildung ein. Der Würzburger Prof. Marcel Romanos, berichtete als Vertreter der Facette Kinder- und Jugend-Psychiatrie über neue Konzepte zu „Stepped Care in der kinder- und jugendpsychiatrischen Notfallversorgung“. Frau Privatdozentin Elisabeth Friess, als Leiterin der Tagesklinik am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München, beschrieb die „Tagesklink als perfekten Ort für das Verhaltensexperiment“.                                                                                                                                       

Im dritten Veranstaltungsblock führte die die Würzburger Präsidentin der DÄVT Dr. med. Beate Deckert in spezifische Psychiatrisch -Psychotherapeutische Strategien in der Behandlung Depressiver Erkrankungen ein.  Frau Prof. Simmenroth mit ihrem Team vom Würzburger Institut für Allgemeinmedizin stellte erste Ergebnisse zur der Anwendung dieser Strategien im fränkischen Hausarzt-Setting vor. Frau Prof Christine Knaevelsrud, Leiterin des Arbeitsbereiches Klinisch-Psychologische Interventionen an der Freien Universität Berlin, griff das Thema Digitalisierung auf und demonstrierte dem Thema ihres Vortrags entsprechend per Livestream die „Nutzung digitaler Medien in der Psychotherapie“. 

Im letzten Teil der Veranstaltung berichteten Vertreter kooperierender Gesellschaften über die Zusammenarbeit mit der DÄVT.  Prof. Michael Linden aus Berlin erläuterte „Die Verhaltenstherapiedefinition des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie“ am Bundesgesundheitsministerium, dessen Mitglied er ist. Prof. Thomas Messer, Chefarzt der Danuvius Klinik in Pfaffenhofen, beschrieb die Kooperation mit der für die Entwicklung von medizinischen Leitlinien verantwortlichen Arbeitsgemeinschaft Wissenschaftlicher Medizinischer Fachgesellschaften und Prof. Johannes Kruse als Präsident Past die Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie. Eine Psychotherapie-Richtlinien übergreifende Besonderheit ist die Kooperation mit der deutschen Balint-Gesellschaft: Privatdozent Dr. Guido Flatten aus Aachen referierte über „Die klassische (tiefenpsychologisch orientierte) Balintgruppe im Dialog mit der (verhaltentherapeutischen) IFA-Gruppe“. Zum Abschluss des Wissenschaftstages stellte Frau Dr. Hildgund Berneburg als Vorsitzende des Bundesvorstandes der Vereinigung psychotherapeutische und psychosomatisch tätiger Kassenärzte (VPK) die „Entwicklung der VT-Ärztlichen Psychotherapie in den letzten 30 Jahren im ambulanten Versorgungsbereich“ vor .

Am Sonntagmorgen wurden folgende 6 Workshops zur Vertiefung angeboten:

  1. Weisheitstherapie, Prof. Linden Berlin.
  2. VT bei Jugendlichen mit ADHS, Dr. Geissler Würzburg.
  3. Entwicklungspsychologische Beratung bei postpartalen psychischen Erkrankungen, Dr. Gehrmann Würzburg.
  4. Nutzen und Risken der Behandlung psychischer Störungen mit Psychopharmaka - gilt heute noch, was gestern gelernt/gelehrt wurde? Prof. Messer Pfaffenhofen.
  5. IFA-Gruppe als Schnupperkurs, Dr. C. Ehrig.
  6. PKP der Depression- Psychiatrisch - psychotherapeutische Strategien in der Praxis und im Stations-Setting, Dr. C. Algermissen, Blankenburg, und Dr. B. Deckert Würzburg

Autor: Dr. med. Beate Deckert, Präsidentin DÄVT

 

Im Namen des gesamten Vorstands grüßt Sie herzlich

 

Dr. med. Beate Deckert

Präsidentin

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